Antrag der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Resolution des Kreistages „Robuste Schutzstandards und kommunale Daseinsvorsorge nicht durch CETA, TTIP und TiSA gefährden“

Der Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf stellt fest:

Obgleich der Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf keinen direkten Einfluss auf die
Verhandlungen der geplanten Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) sowie den USA
(TTIP) und den TiSA-Vertragspartnern 1 hat, wäre der Landkreis, durch die Liberalisierung der
bisherigen Form der kommunalen Daseinsvorsorge und der Gefährdung des Subsidiaritäts-
prinzips, von den Auswirkungen der Freihandelsabkommen 2 explizit betroffen, wodurch die
Zulassung von Resolution zu CETA, TTIP und TiSA nicht gegen die Kompetenzen der Kommunen 3
fungiert (siehe dazu: BVerfGE 79, 127).

Dadurch sieht sich der Kreistag in der Verpflichtung im Interesse des Landkreises und seiner
Bürger*innen zu handeln und sich klar gegenüber

- der Kommission der Europäischen Union
- dem Parlament der Europäischen Union
- der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland
- der Landesregierung des Landes Hessen

gegen einen Vertragsabschluss von CETA und weitere Verhandlungen zu TTIP und TiSA
auszusprechen.

Der Kreistag zeigt sich sehr besorgt über die geplanten Abkommen, nach deren bisherigen
Verhandlungsstand das kommunale Handeln durch Investitionsschutzregeln insbesondere in
folgenden Punkten gehemmt und zu Teilen gänzlich annulliert werden könnten:

- Tarifgestaltung und Arbeitnehmerrechte der Beschäftigten des Landkreises
- Organisationshoheit der Kommunen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, die
nicht durch Negativlisten von der EU abgedeckt wurden
- Öffentliche Ausschreibung und Auftragsvergabe durch den Landkreis
- Kultur-, Sozial und Bildungsprogramme durch den Landkreis und seine Träger
- Rekommunalisierung von Dienstleistungen und kommunalen Betrieben
- Betätigung von Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge und der Infrastruktur
- Umwelt und Sozial- sowie Verbraucherstutzstandards

Der Kreistag fordert gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden Deutscher Städtetag,
Deutscher Landkreistag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie dem Verband
kommunaler Unternehmen, dass:

1. die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge
sowie der Infrastruktur – auch nicht durch die Verwendung sog. Negativlisten – eingeschränkt
werden darf und Spielräume für eine Auftragsvergabe nach sozialen, ökologischen oder
regionalen Kriterien nicht verschlechtert werden dürfen;

2. Umwelt- und Sozialstandards sowie das Subsidiaritätsprinzips nicht durch die sog.
regulatorische Kooperation, die kurz- oder langfristig zu einer Absenkung von Umwelt-,
Verbraucher- und Datenschutz- oder Sozialstandards führen könnte, die das Vorsorgeprinzip in
Frage stellen oder in Zukunft gesetzgeberische Handlungsmöglichkeiten, bspw. im
Urheberrecht, eingeschränkt werden dürfen;

3. die Verhandlungen mit der notwendigen Transparenz- und Öffentlichkeit zu führen sind.

Der Kreistag beschließt die „Barcelona Erklärung“ 4 , die von Vertreter*innen aus 40 Kommunen
aus der EU ins Leben gerufen wurde, zu unterstützen und sich den über 1500 Kommunen, die
gleiche Beschlüsse gefasst haben, in ihren Forderungen nach einem Abbruch der
Verhandlungen von TTIP und TiSA sowie der Nichtratifizierung von CETA anzuschließen.

Der Kreistag fordert den Kreisausschuss auf, der Bundesregierung diese Resolution zur Kenntnis
zu geben.

Begründung:
Der Schwerpunkt in der Zielsetzung von CETA, TTIP und TiSA nicht in der Absenkung von Zöllen
und der Etablierung neuer, sozialverträglicher Arbeitsplätze, sondern eindeutig in der Schaffung
eines umfassenden Investitionsschutzes und der Angleichung regulatorischer Standards. Um die
Angleichung regulatorischer Standards zu erreichen, sollen bestehende Zulassungsverfahren und
Standards harmonisiert bzw. als äquivalent betrachtet werden. Die Abstimmung über in Zukunft
abzuschließende Regulierungen soll im Rahmen von Regulations- bzw. Kohärenzgremien erfol-
gen, die im Anschluss an die Ratifizierung von CETA, TTIP und TiSA ihre Arbeit aufnehmen sollen.

Der Abbau von „Handelshemmnissen“ durch die geplante regulatorische Zusammenarbeit in den
Handelsabkommen CETA, TTIP und TiSA ist nicht hinnehmbar. Viele Kommunen, wie auch kom-
munale Verbände haben seitdem ihren Druck auf die Bundesregierung und die EU erhöht und for-
dern, dass die Verhandlungen sofern nicht gestoppt, so doch nachverhandelt werden muss und
dass dies transparent geschehen muss, dass die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen für die
Daseinsvorsorge und die kommunale Infrastruktur nicht eingeschränkt werden darf und dass Um-
welt und Sozialstandards nicht gefährdet werden dürfen.

gez.: gez.:
Stephanie Theiss Sandra Laaz

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1 Zu den Vertragspartnern zählen neben der EU bis dato: die USA, Kanada, Mexiko, Japan, Chile, Taiwan,
Costa Rica, Hong Kong China, Island, Israel, Kolumbien, der Koreanischen Republik, Neuseeland,
Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, die Schweiz und die Türkei.
2 Sofern aus dem CETA-Verhandlungsentwurf und den bislang bekannten Dokumenten zu den TTIP- und
TiSA-Verhandlungen zu entnehmen ist.

3 Siehe: stm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/160524_Nettesheim-CETA-


Gutachten.pdf.

4 Siehe: www.ttip-free-zones.eu/sites/default/files/materials/Barcelona%20declaration.pdf.

 



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