Warum die GRÜNEN dem Kreishaushalt 2020 nicht zustimmen können.

Frau Kreistagsvorsitzende,
meine Damen und Herren,

Zuerst einmal mein Dank an die Verwaltung, die diesen Plan erarbeitet hat und immer ansprechbar ist, wenn wir Fragen haben.

Wir haben in diesem Jahr auf umfangreiche Änderungsanträge verzichtet, da unsere Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, dass diese eh abgelehnt werden. Und eines sage ich gleich, den Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Jugend- und Kulturförderung werden wir zustimmen, wir begrüßen auch die Initiative des Seniorenrates bzw. den Kompromiss aus dem Ausschuss, aber alles in allem werden wir diesen Haushalt ablehnen.

Wir hatten vor einigen Monaten einen Landratswahlkampf, in dem ein Kandidat meinte, es sei Zeit zum Handeln. Und jetzt liegt der neue Haushaltsplan vor, und verdient eher das Motto „Zeit des ewigen Planens“.

Nein, nicht ganz. In einem Punkt wurde tatsächlich gehandelt. Beim Personal. Da wurde eingestellt und befördert, was das Zeug hält. Die Personalkosten sind in den letzten Jahren enorm gestiegen, in diesem Jahr sind sage und schreibe 64 Millionen € angesetzt. Das hat jetzt dazu geführt, dass der Regierungspräsident in seiner Haushaltsgenehmigung dazu kritische Anmerkungen gemacht hatte und der Landkreis vierteljährlich über die Entwicklung berichten musste.

Noch nie hat es im Landkreis in so kurzer Zeit einen so hohen Personalzuwachs gegeben wie in den letzten Jahren. Ich möchte feststellen, dass wir nichts gegen eine Entfristung von Stellen haben, aber weit über 200 Stellen mehr in kürzester Zeit ist eine traurige Bilanz dieser Koalition.

Dazu sagt die Landrätin selbst in ihrer Bewerbungsrede auf dem Unterbezirksparteitag der SPD vor einem halben Jahr: „All dies kann man mit Fug und Recht als sozialdemokratische Beschäftigungspolitik bezeichnen. Und wenn das die Politik einer linken Volkspartei ist, dann ist das eben links. Und darauf sollten wir stolz sein, Genossinnen und Genossen.“

Mit Verlaub, das ist nicht links. Wir bekommen Planungen und Beteiligungen, aber in wichtigen Bereichen wie zum Beispiel dem Radwegebau, da gibt es nicht genug Personal. Oder für die Umsetzung der EU-Charta. Da hat die Stadt Marburg 300.000 Euro auf zwei Jahre bekommen und tut was. Und was tun wir?

Wir haben bald einen Kreisentwicklungsplaner. Was soll der jetzt eigentlich genau tun und planen? Wir wissen es nicht. Begründet wird dies mit mehr Bedarf und Personalkostensteigerungen. Aber nicht nur wir haben Personalkostensteigerungen. Die haben auch die freien Träger. Und was bekommen die?

Ende 2016, als in Marburg gerade die Kürzungen verkündet wurden, hatte die Landrätin angekündigt, dass die freiwilligen Leistungen an freie Träger um 5 % erhöht werden sollten. Das ist aber oft nicht passiert, nämlich da, wo Verträge mit den Trägern bestanden. Dabei hätte man mit gutem Willen die Verträge modifizieren können.Stattdessen sind die Leistungen seit über 10 Jahren nicht mehr angepasst worden.

Sozialdemokratische Beschäftigungspolitik würde auch die Beschäftigten der Freien Träger stärker berücksichtigen. Aus diesem Grunde werden wir auch den Antrag der Linken über eine halbe Stelle für den Frauennotruf unterstützen und haben ihn mit unserem Änderungsantrag noch ergänzt, da wir an unserer Forderung der letzten Jahre festhalten, dass Frauennotruf und Frauenhaus vom Landkreis deutlich stärker unterstützt werden müssen. Das ist aus unserer Sicht nicht unter dem Motto „Vereinsförderung“ wie Herr Hesse das sagte, abzuarbeiten.

Es ist die Frage, welche gesellschaftlichen Aufgaben der Kreis wichtig findet und in welcher Form. Und es ist nun einmal so, dass diese Aufgaben hier von freien Trägern wahrgenommen werden, es sind aber dringend notwendige Aufgaben, Beratung bei Vergewaltigung, Zwangsehen, Stalking und jeglicher anderer Gewalt gegen Frauen, die unsere Unterstützung erfordern, nimmt man die Istanbul-Konvention denn ernst. Femizid und Gewalt gegen Frauen ging in den letzten Wochen ja zur Genüge durch die Presse.

In Frankreich gehen die Frauen deswegen auf die Straße. Zu recht. Und der Kreis hat seine Verantwortung für diese Themen, für die Sicherheit der Frauen, ernst zu nehmen und nicht dem Land Hessen, der Stadt Marburg und evtl. bald dem Bund zu überlassen.

Ich möchte jetzt nicht auf die Debatte eingehen, wer wann mehr bekommen hat. Das Land hat seine Mittel erhöht, der Kreis am Ende aber reduziert. Beratungsstelle, Frauenhaus, Pro-Aktive-Beratung, die Arbeit mit den Kindern, Interventionsstellen, Unterkunftskosten, notwendige Renovierungen, Second Step und deren Konzeption, oder wie eben angesprochen auch die Dolmetscherkosten, alles kommt immer aus einem anderen Topf. Das zeigt aber auch, wie mühsam, problematisch und fragil die Finanzierung ist.

Deshalb danke ich der Landrätin, dass sie im neuen Jahr in Gespräche mit dem Frauenhaus gehen will. Es wäre aus unserer Sicht aber konsequent, wenn wir jetzt schon Mittel in den Haushalt einstellen würden. Diese können ja unter Vorbehalt eingestellt werden, aber dann wären die Gespräche auch ergebnisoffen.

Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren von der großen Koalition, sich einen Ruck zu geben und unserem Antrag doch zuzustimmen. Nehmen Sie das Thema der Gewalt gegen Frauen ernst.

 

Thema: Bürgerbeteiligung

Schauen wir uns einmal an, wie das Projekt "Beteiligung" bei wirklich wichtigen Fragen umgesetzt wird, dann staunt man nur ungläubig. Ich nehme einmal das Beispiel Wohnungsbau. Wie setzt die Landrätin da die Beteiligung um? Diskutiert sie den möglichen Bau von Wohnungen entlang der Beltershäuser Straße im Kreistag? Nein. Diskutiert sie das Thema in Beteiligungsformaten, wie es so schön heißt? Nein. Belastet sie den Kreisausschuss mit der Frage, ob der Kreis Wohnungen bauen oder Grundstücke verkaufen soll? Nein. Wie lief die Beteiligung hier ab?

Unsere Landrätin lädt zwei Bürger ein, die auch zufällig Mitglied der SPD sind, nämlich den Marburger Oberbürgermeister Spies und den Geschäftsführer der Marburger Wohnungsbaugesellschaft GeWoBau, Jürgen Rausch. Mit diesen beiden Bürgern trifft sich unsere Landrätin und lädt dann auch die Presse dazu ein und verkündet, dass der Kreis jetzt zusammen mit der Stadt Marburg und der GeWoBau Wohnungen bauen will. Kein Wort in den Kreisgremien zu Bedingungen, zu denen Grundstücke verkauft werden sollen oder wie die Kooperation ausgestaltet wird. Aber es wird als beschlossen und vereinbart in der Presse verkündet - von der Landrätin.So geht Bürgerbeteiligung dieser Koalition und dieser Landrätin bei wichtigen Themen - nämlich gar nicht.

 

Apropos Wohnungsbau.

Noch deutlich haben wir die Schlagzeile in der Oberhessischen vor Augen, als die Koalition verkündete, dass unser Landkreis aktiv wird und mindestens 3000 Wohnungen bauen werde. Die Marburger Wohnungsbaugesellschaft GeWoBau habe eine hoch bezahlte und ineffektive Führung, das könne der Landkreis schneller und besser. Meine Damen und Herren, es ist nur zu gut verständlich, dass der damalige Geschäftsführer der Marburger GeWoBau, Bernd Schulte, der dieses Unternehmen über Jahre erfolgreich und solide geleitet hat, nach solchen und anderen Bösartigkeiten aus Reihen der SPD inzwischen sein Parteibuch der SPD zurückgegeben hat. Aber abseits dieser Unverschämtheiten und Bösartigkeiten: Was ist denn aus Ihrer vollmundigen Ankündigung der 3000 Wohnungen in den letzten Jahren geworden? Haben wir Grünen oder die Öffentlichkeit irgendetwas verpasst? Die Wahrheit ist: Gar nichts ist passiert! Sie haben die Bevölkerung in die Irre geführt, Sie haben mit Ihrer Landrätin und Ihrer Koalition das Thema Wohnungsbau, das viele Menschen betrifft und berührt, Sie haben dieses Thema für eine billige populistische Ankündigung benutzt, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen. Nicht ein Cent stand in den vergangenen Haushalten zur Verfügung, um Ihre haltlosen Versprechungen umzusetzen und auch in diesem Haushalt ist nicht erkennbar, dass Ihnen irgendetwas daran liegt, den Mangel an günstigem Wohnraum in bestimmten Bereichen zu beheben. 300.000 Euro! Im Ernst. Schon damals war Ihre Ankündigung der 3000 Wohnungen ein unglaubwürdiger Auftritt - Ihr politisches Handeln seit damals zeigt, dass Sie dieses Thema überhaupt nicht ernst nehmen. Das ist Ihre Wohnungspolitik. Wahrscheinlich werden wir über Ihren schönen Presseauftritt mit Spies und Rausch in einigen Jahren auch wieder so ernüchtert reden wie über Ihre bisherigen Anläufe, Frau Landrätin.

Es ist wirklich Zeit zum Handeln, weil in den letzten Jahren so gut wie nichts Neues auf den Weg gebracht wurde. Ich kann gut verstehen, wenn auch andere diese Jahre als eine Phase des Stillstandes bezeichnen. Z. B. beim Radwegebau. Die Planungen für ein flächendeckendes Radwegenetz wurden im Februar 2014 von diesem Kreistag in Auftrag gegeben. Der Beschluss wurde ignoriert, es wurden neue Beschlüsse gefasst, neue Planungen in Auftrag gegeben, es wurde beteiligt, aber es wurde noch kein einziger Meter Radweg neu gebaut.

Aber wir sind natürlich immer ganz weit vorne. Lässt sich ja nachlesen, z. B. beim Prognos-Zukunftsatlas, dem Ranking für Deutschlands Regionen. Hier werden seit vielen Jahren regelmäßig die Zukunftschancen und Risiken aller 401 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland bewertet. Oder sollte man besser doch nicht nachlesen? Dann würde man ja sehen, dass der Landkreis Marburg-Biedenkopf im Jahr 2010 auf Rang 183 lag, 2016 dann auf Rang 200 und in 2019 auf Platz 235. Unsere Nachbarregionen können dagegen in der gleichen Zeit einen deutlichen Aufwärtstrend verzeichnen. Anstatt dass uns das wach rüttelt, wird weiter geplant.

Wir sehen in diesem Haushaltsplanentwurf keinen Ansatz, dass sich hier was ändert und werden ihn deswegen ablehnen.

Unsere Termine:

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