Wolf und Weidetiere: Lebhafte Debatte bei unserer Podiumsdiskussion

Rund 80 Gäste folgten der Einladung der GRÜNEN Marburg-Biedenkopf ins Bürgerhaus Lohra, wo unsere Direktkandidatin Marion Messik mit Experten aus Politik, Jagd und Landwirtschaft über den Wolf diskutierte. Sie sahen eine lebhafte und überwiegend sachliche Debatte.

17.07.23 –

Hartmut Bünger vom Hinterländer Anzeiger hat die Veranstaltung vor Ort verfolgt und einen Bericht verfasst. Er erschien am 15. Juli 2023, und wir möchten aus diesem hier zitieren:

"Im Bürgerhaus in Lohra ist alles für einen munteren Abend angerichtet. Das Thema „Wie weiter mit dem Wolf?“ polarisiert die Menschen, vor allem jene, deren Nutztiere dem Hunger des ehemals vertriebenen Jägers zum Opfer fallen können. Zu ihnen gehören sehr viele der rund 80 Zuhörer. Aber auch auf dem Podium ist Kontroverse angesagt. In Michael Weiler, Tierarzt, Jäger und Wolfsbeauftragter des Pferdesportverbands Hessen, sowie Felix Hoffarth, Rinderzüchter aus Lohra, haben die beiden Vertreter der Grünen im Landkreis Marburg-Biedenkopf einen starken Widerpart.

Los geht es mit der Frage, ob der Wolf denn überhaupt eine Bedrohung für die Schafe, Ziegen, Kühe und andere Nutztiere ist. Nein, meint Hans-Jürgen Müller, Sprecher der grünen Landtagsfraktion für Landwirtschaft, Tierschutz und Jagd, zumindest keine große. „Der Wolf lebt vor allem vom Wild“, sagt er und verweist auf eine ältere Studie. Rehe seien seine bevorzugte Beute. Nutz- und Weidetiere dagegen würden mit rund einem Prozent nur einen sehr kleinen Teil seiner Nahrung ausmachen.

Michael Weiler widerspricht. Die Studie stamme aus dem Jahr 2013 und sei rund um alte Truppenübungsplätze in der Lausitz entstanden, wo es sehr viel Wild und wenig Weidetiere gebe. „Allein vom Habitat her hätte da nichts anderes herauskommen können“, sagt der Steffenberger. Er verweist auf eine neuere Untersuchung aus dem Jahr 2016 in Norditalien. Dort habe die französische Forscherin in der Losung der Wölfe einen Nutztieranteil von 40 bis 45 Prozent ermittelt. Weiler: „Je nachdem, wo ich die Sammlung durchführe, bekomme ich andere Ergebnisse.“ Dass der angebliche Anteil von einem Prozent nicht stimmen könne, zeige auch eine andere Überlegung: 2020 seien bei 1000 Wolfsangriffen 4000 Nutztiere getötet worden. Dem müsste dann ja ein erheblicher Wildverlust gegenüberstehen, argumentiert Weiler. „Den gab es aber nicht.“

Ist die Wolfsjagd rechtlich völlig ausgeschlossen?

Völlig unterschiedlicher Meinung sind die Diskussionsteilnehmer auch bei der Frage, ob es rechtlich möglich wäre, zu verhindern, dass der Wolf sich in Deutschland weiter ungebremst ausbreitet und vermehrt. Hans-Jürgen Müller verweist auf die FFH-Richtlinie der Europäischen Union (EU). Sie ordne den Wolf in Anhang 5 ein und gewähre ihm damit den „höchsten Schutzstatus“. „Anhang 5 bedeutet, dass der Wolf nicht bejagt werden kann“, unterstreicht der grüne Landespolitiker, der von 1984 bis 2017 selbst als ökologischer Landwirt gearbeitet hat.

Er sieht nur einen Weg, das zu ändern: Deutschland müsse der EU aufzeigen, dass der Wolf hierzulande in seiner Existenz nicht mehr bedroht ist. Aus diesem Grunde sei ein konsequentes Wolfsmonitoring extrem wichtig. Nur wenn man der EU nachweisen könne, dass der Bestand eine Größe erreicht hat, die das Überleben des Wolfes sichert, werde man dort über einen anderen Schutzstatus nachdenken. „Es wird von der EU nicht toleriert werden, den Wolf wieder auszurotten“, unterstreicht Müller. Michael Weiler hält dagegen. „Der Schutzstatus erlaubt mehr Möglichkeiten, als wir das in Deutschland umsetzen“, ist er überzeugt. In 14 Ländern der EU gebe es inzwischen die Schutzjagd oder ein Bestandsmanagement. Der Tierarzt verweist beispielhaft auf Finnland, ein Land, das etwa die gleiche Fläche wie Deutschland habe. Dort habe man entschieden, nicht mehr als 200 Wölfe zu tolerieren. Und das bei einer wesentlich geringeren Einwohnerdichte.

Weiler kritisiert „ideologischen Hintergrund“

Deutschland müsse der EU nur den guten Erhaltungszustand nach Brüssel melden, erklärt Weiler, um in ähnlicher Weise tätig werden zu können. Die letzte Meldung liege seines Wissens aber schon fünf Jahre zurück und spreche noch von 145 Wölfen, einer inzwischen völlig überholten Zahl. „Das Problem ist, dass sich das Bundesumweltministerium seit Jahren weigert, diese Möglichkeiten im Bundesnaturschutzgesetz umzusetzen“, moniert er. Bei ihm nähre das den Verdacht, dass „ideologische Hintergründe“ dabei eine gewisse Rolle spielten. Aus seiner Sicht lässt sich bei rund 250 geschlechtsreifen Exemplaren von einem „günstigen Erhaltungszustand“ sprechen. Diese Populationsgröße sei in Deutschland „längst erreicht“. Weiler: „Man verbarrikadiert sich hinter zu niedrig gemeldeten Zahlen.“ Marion Messik, Direktkandidatin der Grünen im Hinterland für die Landtagswahl, lässt sich davon allerdings nicht überzeugen. „Das EU-Recht setzt da schon enge Grenzen“, beharrt sie. Sie verstehe die Existenzängste der Weidetierhalter. „Die ganze Diskussion zeigt mir, dass wir es noch nicht gelernt haben, wie wir mit dem Wolf nebeneinander leben können.“

Ein weiteres Thema des Abends: Wie hilft das Land finanziell, damit Weidetierhalter ihre Tiere vor Angriffen schützen können? Und wie hilft es, wenn die Tiere tot auf der Weide liegen? Zu wenig, meint Felix Hoffarth vom Hof Eselsmühle in Lohra und Landwirt des Jahres 2020. Ein Problem: Das Land zahle den Nutzwert, nicht aber den Zuchtwert. So bekäme er für eine gerissene Kuh, die 4000 bis 5000 Euro wert ist, nur 1000 Euro. Mit der Förderung für die Zäune – 30.000 Euro je Betrieb – sei ebenfalls kein Staat zu machen, das sei zu wenig Geld. „Bis ich wolfssicher bin, sind die Tiere wahrscheinlich weg.“ Nicht zuletzt spielt für ihn der Gedanke des Tierschutzes eine Rolle. Er verstehe nicht, dass die Grünen Tierquälerei befürworten: Denn genau das sei es, wenn Nutztiere auf der Weide zu Tode gehetzt würden. Messik und Müller beurteilen die Förderung anders. Der ehemalige Landwirt spricht von „erheblichen Summen und erheblichen personellen Ressourcen, die das Land zur Verfügung stellt, um die Schäden für Weidetierhalter möglichst gering zu halten.“

Marion Messik gibt zu, dass nicht alles perfekt laufe, aber: „Hessen hat sich sehr früh auf den Weg gemacht“. Weiler bemängelt an dieser Stelle die diversen Einschränkungen, die für vorbeugende Maßnahmen gelten: Von der einen Million Euro im Etat würden Schafe und Ziegen profitieren, Rinder, Pferde und Esel aber nur bis zum Alter von einem Jahr. Zudem kämen nur Betriebsinhaber in den Genuss.

Wie also künftig vorgehen? Marion Messik hält es für einen Trugschluss zu glauben, dass es einfache Lösungen gebe, der Wolf sei nun einmal wieder da. Man müsse Förderung und Wolfsmonitoring beobachten und gegebenenfalls anpassen. „Es gibt auch einen Teil der Gesellschaft, der das gut findet, dass der Wolf wieder da ist, auch wenn der heute Abend nicht unbedingt hier sitzt.“ Ihr Parteifreund Hans-Jürgen Müller geht weiter, wenn er davon spricht, den Wolf wieder zu reduzieren. In seinen Augen geht das aber nur über den rechtlichen Rahmen.

Pubilkumswunsch: Den Wolf in Grenzen halten

Michael Weiler sieht keine Alternative zur Jagd. Alle Versuche in den östlichen und nördlichen Bundesländern, die Nutztiere durch Zäune zu schützen, seien gründlich misslungen. „Der Herdenschutz ist jetzt schon gescheitert“, unterstreicht er. Zu glauben, in Hessen werde man andere Erfahrungen machen, sei eine absolute Illusion. Ähnlich formuliert es Felix Hoffarth: 200 bis 250 Wölfe in Deutschland seien okay, allerdings auch nur dann, wenn sie dort leben, wo sie keinen großen Schaden unter den Nutztieren anrichten könnten.

Gegen Ende der Veranstaltung bringen einige Fragesteller aus dem Publikum den Wunsch vieler Besucher auf den Punkt, wie der anschließende Applaus zeigt: „Bitte nehmt das Thema ernst!“, schärft jemand den beiden Grünen auf dem Podium ein. Und ein anderer ergänzt: „Es ist der Wunsch aus der Bevölkerung und hier auch aus dem Publikum, dass der Wolf in Grenzen gehalten wird. Die Zahl der Wölfe muss begrenzt werden.“"

Wir danken für die faire Berichterstattung und allen Podiumsteilnehmer*innen sowie den zahlreichen Gästen für ihr Engagement!

Unsere Termine:

AG Umwelt

Mehr

Kennenlern-Frühstück

Lockeres Mitgliedertreffen bei Kaffee und Co., anschließend Start in den Haustürwahlkampf

Mehr

Kundgebung zur Europawahl mit Angela Dorn

Veranstalter: Pulse of Europe Marburg

Mehr

Kreisvorstand Marburg-Biedenkopf

anschl. Sitzung des Wahlkampfteams zur EU-Wahl 2024

Mehr

AG Umwelt

Mehr

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>