Die Wahlen vom 8. Oktober, die politische Lage in Deutschland und die Rückwirkungen auf den Ukrainekrieg

18.10.23 –

Die Landtagswahlen vom 8. Oktober bedeuten zur Halbzeit der Berliner Ampelkoalition einen Einschnitt für die deutsche Politik. Ganz gleich, ob man sie als „Denkzettelwahl“ als „politischen Erdrutsch“ oder als „Rechtsruck“ qualifiziert: Sie werden gravierende Auswirkungen haben.

 

1. Zu den Ergebnissen selbst

In Hessen hat die CDU mit 34,6% der Zweitstimmen einen deutlichen Stimmenzuwachs (+7,6%) erreicht und ist mit künftig 52 Mandaten der klare Wahlsieger. Damit liegt das Stimmenergebnis der CDU noch relativ deutlich über den Umfragen und Prognosen der letzten Wochen. Dabei hat die CDU 52 der 55 hessischen Wahlkreise direkt gewonnen.

Die AfD wird mit 18,4% der Stimmen und einem Zugewinn von 5,3% deutlich zweitstärkste politische Kraft in Hessen. Das ist das bislang beste Stimmenergebnis der AfD in einem westdeutschen Bundesland. Die AfD wird künftig 28 Abgeordnete in den hessischen Landtag entsenden.

Drittstärkste Partei wird die SPD mit 15,1% der Stimmen. Nachdem die SPD bereits 2018 das bis dahin schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte Hessens erreicht hatte (19,8%), hat sie diesmal noch weitere 4,7% verloren. Besonders schmerzlich für die SPD ist, dass sie diesmal kein einziges Direktmandat erringen konnte. Alle 23 SPD-Abgeordneten des künftigen Landtags werden über die Landesliste ins Parlament einziehen.

Die Grünen verlieren 5% Stimmen, also gegenüber 2018 ein gutes Viertel ihres Prozentanteils. Sie verlieren damit 7 Mandate und werden künftig nur noch 22 Abgeordnete stellen. Dabei gelang es der Partei, drei der fünf 2018 erzielten Direktmandate zu verteidigen (in den Wahlkreisen Kassel-Stadt 1, Darmstadt 1, Frankfurt 5).

Die FDP verliert 2,5% und schafft nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis den Wiedereinzug in den Landtag nur knapp. Sie wird künftig acht Abgeordnete stellen – drei weniger als 2018.

Die Linke scheitert mit 3,1% der Stimmen deutlich an der Fünfprozenthürde. Ihr Wähleranteil hat sich gegenüber 2018 halbiert. Künftig wird die Partei in keinem westdeutschen Flächenland mehr im
Landtag vertreten sein.

Die übrigen Parteien kommen auf 9,0% der Stimmen, 2,5% mehr als 2018. Relativ bemerkenswert dabei der Anteil der Freien Wähler (3,5%). Auch die Tierschutzpartei und Volt liegen mit 1,5% und 1% oberhalb der Grenze der für die Parteienfinanzierung bedeutsamen Marke. Darunter liegt die Klimaliste, deren Antreten mit einem Misserfolg endete.

Die Wahlbeteiligung lag in Hessen mit 66% etwas unter der Beteiligung in 2018 (67,3%).

Ein kurzer Blick nach Bayern

Das Wahlergebnis in Bayern weist viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige signifikante Unterschiede zu Hessen auf. Auch in Bayern gibt es mit der CSU einen eindeutigen Wahlsieger. Im Unterschied zu Hessen aber hat die Partei von Markus Söder gegenüber der letzten Wahl nichts hinzugewonnen, sondern mit 37% geringfügig Stimmenanteile verloren (-0,2%). Die CSU hat 85 der 91 Direktmandate erreicht. Ihre Fraktion in München wird wie bei der Hessen-CDU allein aus Wahlkreisgewinnern bestehen.

Zweitstärkste Partei in Bayern sind jetzt die Freien Wähler mit 15,8%. Das ist ein Zugewinn von 4,2%. Besonders interessant dabei ist, dass Hubert Aiwanger seinen Wahlkreis in Landshut mit 37,2% deutlich vor dem CSU-Bewerber gewonnen hat (24%). Die Freien Wähler haben dazu auch in Neuburg-Schrobenhausen noch ein weiteres Direktmandat geholt.

An dritter Stelle in Bayern eingekommen ist die AfD, die mit 14,6% einen Zugewinn von 4,4% verbuchen konnte. Sie wird künftig 32 der insgesamt 203 Mandate innehaben.

Die Grünen haben 14,4% erreicht und damit 3,2% verloren, also etwas weniger als die Grünen in Hessen. Sie sind allerdings jetzt nur noch die viertstärkste Kraft im Landtag und stellen wie die AfD 32 Abgeordnete. Immerhin ist es ihnen gelungen, vier Wahlkreise in München zu gewinnen. Ihr Fraktionsvorsitzender Ludwig Hartmann erreichte in München-Mitte 44,6%.

Die SPD hat in Bayern gegenüber 2018 noch einmal 1,3% verloren und kommt jetzt nur noch auf 8,4% - ihr schlechtestes Ergebnis seit 1946. Die Sozialdemokraten werden künftig 17 Abgeordnete stellen.

Nicht weiter im Landtag vertreten ist die FDP mit 3% der Stimmen. Die Linke erreicht nur 1,5% und liegt damit noch hinter der ÖDP, die auf 1,8% kommt. Alle übrigen Parteien spielen keine Rolle.

Interessant ist, dass die Wahlbeteiligung in Bayern gestiegen ist: von 72,3% auf 73,3%. Die größere Heftigkeit des Wahlkampfs, wie sie nicht nur durch die Aiwanger-Affäre aus Bayern vielfach berichtet worden ist, hat offenbar eher mobilisierend gewirkt.

 

2. Zur Interpretation der Ergebnisse

Die Wählerwanderungsbilanzen zeigen, dass die CDU in Hessen ihren Erfolg vor allem dem Zustrom von Wählern aus dem Bereich der Ampelparteien zu verdanken hat. Dieser Effekt hat die eher geringen Abwanderungen an die AfD mehr als kompensiert. In Bayern dagegen stehen den Zugewinnen aus dem Wählersegment der Ampelparteien etwa gleich große Verluste der CSU an Freie Wähler und AfD gegenüber. Dabei sind die Größenordnungen erstaunlich: Nach Infratest Dimap hat die CSU etwa 200.000 Stimmen an Freie Wähler und AfD abgegeben, aber etwa gleichviel Stimmen aus dem Nichtwählerbereich sowie von den Ampelparteien gewonnen, davon allein 90.000 von den Grünen.

Folgt man weiter Infratest Dimap, dann hat die CDU in Hessen vor allem der SPD Stimmen abgenommen (76.000). Weitere 50.000 sollen von der FDP gewechselt sein. Auch die Grünen haben Stimmen an die Union verloren (57.000). Ungefähr gleichviel Stimmen kommen von ehemaligen Nichtwählern, während die Union nur etwa 20.000 Wähler an die AfD abgegeben haben soll. Die Genauigkeit, die Infratest Dimap mit ihren Bilanzen suggeriert, ist allerdings aus methodischen Gründen mit Vorsicht zu genießen. Als Tendenzaussagen taugen sie freilich schon.

Die AfD hat von allen Seiten Stimmen gewonnen. Den höchsten Zuwachs verzeichnet sie freilich von früheren Nichtwählern. Nach Infratest Dimap haben etwa 30.000 frühere SPD-Wähler die AfD unterstützt, 24.000 kamen von der FDP. Sogar 9.000 ehemalige Grünen- Anhänger sollen diesmal AfD gewählt haben, was erstaunlich ist, weil es bei früheren Wahlen kaum relevante Bewegungen in diese Richtung gegeben hat.

Die SPD hat in Hessen vor allem an die CDU verloren, zu einem kleineren Teil auch an die AfD. Dagegen hat sie von den Grünen im Saldo etwa 30.000 Stimmen gewonnen, von den Linken 17.000. Die Grünen können nur von den Linken Zugewinne verbuchen (+10.000 Stimmen). Ansonsten verlieren sie in alle Richtungen – auch an das Lager der Nichtwähler (-25.000).

Die CDU schneidet in den älteren Jahrgängen am besten ab, ist jedoch in allen Altersgruppen die stärkste Kraft. Überdurchschnittliche Zugewinne erzielt sie in der Altersgruppe zwischen 45 und 59 Jahren.

Die AfD erzielt ihre besten Ergebnisse in den mittleren Altersjahrgängen zwischen 35 und 44. Sie erreicht aber auch bei den Jüngeren durchschnittliche Ergebnisse. Etwa 20% der Jungwähler haben AfD gewählt, was sicher mit der starken AfD-Präsenz auf Social Media zu tun hat. Nur jenseits der 70 fällt die Zustimmungsrate deutlich ab.

Die Grünen verlieren bei den jüngeren und mittelalten Wählergruppen am meisten, also dort, wo sie bislang am stärksten waren. Bei den Älteren können sie ihr Wahlergebnis dagegen nahezu halten. Die FDP erzielt bei den Jüngeren ihre besten Ergebnisse.

Das Wahlverhalten zeigt auch deutliche Unterschiede in Sozialstruktur, Stadt/Land-Gefälle und Geschlecht. AfD und SPD werden stärker von Menschen mit niedrigerem formalen Bildungsniveau gewählt, bei Grünen und FDP ist es genau umgekehrt. Bei der CDU sind diese Unterschiede nicht so hoch. Die AfD wird häufiger von Männern gewählt, die Grünen etwas häufiger von Frauen. Von den Männern haben 22% die AfD gewählt, unter den Frauen waren es nur 14%. Bei den Grünen ist es umgekehrt: Sie haben 17% der Wählerinnen erreicht, aber nur 13% der Wähler.

Größer geworden ist bei der Hessen-Wahl das Gefälle zwischen Stadt und Land. Während die AfD im ländlichen Raum überdurchschnittlich stark hinzugewinnt, sind bei den Grünen die Verluste in den größeren Städten geringer ausgefallen als im ländlichen Milieu. So haben die Grünen etwa in Darmstadt zwar knapp drei Prozent verloren, aber mit 27,3% ihre Spitzenstellung dennoch behaupten können. Auch in Frankfurt liegen sie mit 24% in der Nähe des Ergebnisses von 2018. Dasselbe gilt auch für Marburg (vgl. unten).

Dass bundespolitische Motive und Stimmungen bei dieser Wahl eine besondere Rolle gespielt haben, lässt sich auch empirisch gut belegen. 40% der Wahlberechtigten in Hessen haben laut Forschungsgruppe Wahlen angegeben, dass der Bund für die Wahlentscheidung wichtiger sei als die Landespolitik – ein vergleichsweise hoher Wert. In Bayern haben nur 29% der Wahlberechtigten angegeben, dass es ihnen eher um die Bundespolitik gehe. Eine besondere Rolle haben in Hessen auch die ausgesprochen schwachen Kompetenz- und Sympathiewerte für die sozialdemokratische Spitzenkandidatin gespielt. Da Tarek Al Wazir auf diesem Gebiet deutlich besser abgeschnitten hat als Nancy Faeser, muss es fast sogar ein wenig überraschen, dass die SPD noch vor den Grünen eingekommen ist.

Dass über 90% der AfD-Wähler die Sorge vor übergroßer Einwanderung als zentrales Wahlmotiv nennen, ist nicht überraschend. Immerhin 36% aller Hessen haben die Zuwanderungsproblematik als wichtigstes Thema dieser Wahl genannt. Damit lag das Thema nach den Daten der Forschungsgruppe Wahlen deutlich vor dem Thema Klima und Energie.

Interessant ist, dass immerhin 42% der Befragten angeben, dass die AfD mit ihrer Haltung in der Flüchtlingsfrage richtigliege. Und vielleicht noch bemerkenswerter ist, dass über 80% der AfD-Wähler angeben, dass es ihnen egal sei, wenn in der Öffentlichkeit die AfD als rechtsradikale Partei etikettiert werde, solange sie nur die richtigen Themen anspreche. Die Strategie der Ausgrenzung und die ganze Brandmauerrhetorik geht demnach völlig an den Köpfen dieser Wähler vorbei.

Wie ist diese Wahl zu bewerten?

Die Interpretation der Wahlergebnisse insgesamt ist nicht schwer: Es war in erster Linie eine Wahl gegen Berlin. Und es war auch ein Protest der ländlichen Regionen, in denen Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft des Landes, um die Folgen kaum gesteuerter Zuwanderung und die über das Desaster beim Heizungsgesetz gewachsenen Zweifel an der Klimapolitik zusammengekommen sind.

Hinzu kommen die Zweifel an der Führungskompetenz des Kanzlers und der Ärger über das Konflikttheater in der Ampel. Die reinen Zahlen beweisen das überdeutlich: In Hessen haben die Ampelparteien zusammen gerade 35% der Stimmen erreicht, in Bayern gar nur 25%. Man stelle sich nur einmal vor, am Sonntag wäre eine Bundestagswahl gewesen. Die Ampel wäre krachend gescheitert.

Auch in den großen Städten gibt es diese Stimmung, wie sich an den Zugewinnen für CDU und AfD ablesen lässt. Sie ist hier aber weniger deutlich ausgeprägt. Die z.T. eklatanten Unterschiede zeigen sich am deutlichsten in Bayern und dort beim Vergleich zwischen der Landeshauptstadt München und dem Bezirk Niederbayern. In München sind die Grünen stärkste Partei und haben mit 30,7% ihr Rekordergebnis von 2018 fast gehalten (31,1%). Dann erst folgt die CSU mit 28,5%. Die SPD, immerhin die Partei des OB, kommt auf 12,1, die AfD auf 7,1 und die Freien Wähler auf 7%. Sechs Prozent der Münchner haben die FDP gewählt.

Ganz anders das eher ländliche Niederbayern: Hier liegt die CSU mit 31,7% nur knapp vor den Freien Wählern (29,7%). Dahinter kommen die AfD (17,9%) und mit ganz weitem Abstand die Grünen, die es hier nur auf 7,1% bringen. Noch weniger erreicht die SPD mit 5,3%. Die FDP kommt gar nur auf 2,4%. Während die Ampelparteien im großen Niederbayern alle zusammen nur auf 14,8% kommen, erreichen sie in München zusammen 48%. Die gesellschaftliche Problemwahrnehmung muss demnach in Niederbayern eine ganz andere sein als die in München. Und das kann nicht nur an Hubert Aiwanger liegen, der hier zuhause ist.

Was wird jetzt geschehen?

In Berlin versprechen jetzt alle, künftig besser zusammenarbeiten und geräuschärmer streiten zu wollen. Aber wie soll das gehen? Die FDP, die an Union und AfD massiv verloren hat, steht gewaltig unter dem Druck, den Konfliktkurs gegenüber den Grünen eher zu verschärfen. Wie zu hören ist, will die FDP die im Koalitionsvertrag vereinbarten Regelungen beim Familiennachzug für Flüchtlinge auf keinen Fall mittragen. Die SPD steht unter massivem Druck, illegale Migration wirksamer zu bekämpfen und die Migrationszahlen herunterzudrücken. Die Union wiederum wird natürlich versuchen, Scholz und die SPD in diesen Fragen vor sich herzutreiben.

Und die Grünen? Die müssen sich bewegen, aber ihr Spielraum ist angesichts der stark sozialmoralisch-gesinnungsethisch geprägten Parteibasis und auch weiter Teile der Anhängerschaft begrenzt. Ich kann mir im Moment nur schwer vorstellen, wie man da zusammenkommen will. Und noch weniger kann ich mir vorstellen, wie aus Olaf Scholz ein neuer Helmut Schmidt werden könnte.

Sicher bin ich mir dagegen, dass das Wachstum der AfD weitergehen wird, wenn die Zahlen und der damit verbundene Problemdruck für Bürgermeister und Landräte nicht deutlich gesenkt werden können. Insoweit wird sich das Schicksal dieser Regierung nicht an der Klimapolitik entscheiden, sondern an der Migrationspolitik. Die Wähler der AfD lassen sich von Brandmauern und Demonstrationszügen nicht von der Wahl dieser Partei abhalten, sondern nur von wirksamen politischen Maßnahmen. Und nächstes Jahr sind Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern, wo nach heutigem Stand die AfD nicht an zweiter Stelle einkommen wird, sondern an erster.

 

3. Zur Wahl in Marburg und im Landkreis

Vor dem skizzierten Hintergrund wirkt die Stadt Marburg auf den ersten Blick wie eine Insel der Seligen, an dem die Stürme der Zeit fast vorbeiwehen. Sicher, auch hier hat die AfD beachtliche Zugewinne erreicht und liegt mit 10,1% in etwa da, wo die Partei auch in Frankfurt und Darmstadt eingekommen ist. Sicher sind ihre Rekordergebnisse am Richtsberg und im Waldtal vor allem für die Sozialdemokraten ein Ärgernis. Und dass die Partei mit ihrem Oberbürgermeister jetzt mit nur noch 16,7% deutlich hinter den Grünen (25,7%) und der CDU (24,5%) zurückliegt, kann ihr natürlich nicht gefallen. Aber sonst? Die Grünen haben nur wenig eingebüßt (-0,8%); die Zugewinne der CDU sind nur halb so groß wie im Landesschnitt. Und selbst die Linken können hier nach wie vor auf eine treue Anhängerschaft rechnen (9,9%).

Doch so fest zementiert die politischen Kräfteverhältnisse in der Oberstadt auch sein mögen: Wenn man einen Blick über die Kernstadt hinauswirft, zeigen sich auch dort Veränderungen. Dass die AfD in
den Wahlbezirken am Richtsberg zwischen 29 und 47% erhält und im Waldtal auf 30,5% kommt, hat, ist schon bemerkenswert. Und auch in den Ortsteilen liegen die AfD-Ergebnisse z.T. deutlich höher, etwa in einem Stimmbezirk in Wehrda und in Hermershausen, wo die AfD dreimal so viel Stimmen bekommen hat wie die Grünen.

Erst recht gilt das für den Landkreis. Hier erreicht die AfD fast überall Ergebnisse, die über dem Landesschnitt liegen, während die Grünen deutlich verlieren. Den höchsten Wert erreicht die AfD in Neustadt, wo sie fast jeder Dritte gewählt hat (31,4%), gefolgt von Steffenberg (30,9%), wo die Partei nur ganz knapp hinter der CDU lag. In Gladenbach erhält die Partei 24,8, in Lohra 24,4, in Stadtallendorf sogar 26,1%, in Breidenbach 25,6 und in Bad Endbach sogar 27,1%. Überall im Landkreis liegt die Partei an zweiter Stelle hinter der CDU – mit der einzigen Ausnahme Cölbe, wo die SPD mehr Stimmen erhielt. Gleichzeitig haben die Grünen fast überall deutlich verloren und erreichen nur noch in sieben der 22 Gemeinden des Landkreises überhaupt zweistellige Ergebnisse. In Gemeinden wie Gladenbach, Stadtallendorf, Neustadt oder Angelburg sind die Grünen jetzt wieder bei Werten angekommen, wie ich sie noch aus den 1980er-Jahren kenne. Nur mit dem Unterschied, dass die Sozialdemokraten damals mehr als doppelt so stark waren.

Nimmt man das Gesamtergebnis des Landkreises (also inklusive Marburg-Stadt), dann ähnelt das Ergebnis dem hessischen Gesamtergebnis: CDU 33,1%, AfD 18,8%, SPD 16,9%, Grüne 14,5%, Linke 4,7%, FDP 3,6%. 2018 hatte die CDU 26,6%, die SPD 22,2% und die Grünen 18,1% bekommen. Die Ampelparteien kommen 2023 auch hier zusammen nur auf 35%. Rechnet man das Marburger Stadtergebnis heraus, kommt die AfD im Landkreis auf ca. 22%, die Grünen dagegen nur auf knapp 9%. Von den 17.331 Stimmen für die Grünen stammen mit 9.323 etwa 55% aus der Stadt Marburg, die aber nur ca. 30% der Wähler im Landkreis stellt.

 

4. Die politische Lage in Deutschland und der Krieg in der Ukraine

Natürlich sind es vor allem Terror und Krieg im Nahen Osten, die erhebliche Auswirkungen auf den Ukrainekrieg, die Unterstützung im Westen und die Wahrnehmung der Öffentlichkeit haben. Der frühere ARD-Fernsehmann Werner Sonne sprach dieser Tage im TV vom „Kollateralschaden“ Ukraine als Folge des Terrors der Hamas. Sicher hat es Konsequenzen, wenn die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit jetzt einem anderen blutigen Konfliktherd zuwendet. Für den Westen, das gilt vor allem für die USA, steht ein anderes Thema jetzt ganz oben. Es steht zu befürchten, dass Putin daraus Nutzen ziehen kann. Und auch auf der innenpolitischen Agenda schiebt sich ein neues Thema nach vorne: Der nach Deutschland importierte arabische Antisemitismus und die ganze Islampolitik von Deutschland und der EU. Dabei geht es nicht nur um die Milliarden, die in den letzten zwanzig Jahren von der EU nach Palästina und dort vor allem in die Taschen der hoch korrupten PLO gewandert sind, um die Finanzierungsquellen der Hamas und um die lange überfällige Schließung dieses Islam- Zentrums in Hamburg, das ein reines Propagandainstrument der Iraner ist. Die lauen und halbherzigen Stellungnahmen vieler Islam-Verbände in Deutschland zu den brutalen und bestialischen Terrorattacken der Hamas zeigen, dass wir bei der Integration der Muslime über Einrichtungen wie die Islamkonferenz anscheinend nicht sehr weit gekommen sind.

Auch die Wahlergebnisse werden kaum dazu führen, dass die Bundesregierung die Unterstützung der Ukraine mit größerer Tatkraft betreiben wird. Der AfD-Mainstream besteht ja aus Putin-Verstehern, deren migrationsfeindliche Haltung auch die Ukraineflüchtlinge einschließt. Und bereits in den vergangenen anderthalb Jahren hat es ja immer wieder Diskussionen über die vermeintliche Bevorzugung ukrainischer Flüchtlinge gegeben. Eine Linken-Abgeordnete sprach im Bundestag schon im März 2022 von einer „Doppelmoral im Umgang mit Geflüchteten, die aus meiner Sicht Ausdruck eines tief sitzenden Rassismus ist“.

Tatsächlich gilt für die Flüchtlinge aus der Ukraine EU-weit bis mindestens 2. März 2024 ein Sonderstatus, der Notfallmechanismus des „temporary protection“. Das ist ein Sonderstatus zur Bewältigung plötzlicher massenhafter Fluchtbewegungen in der Folge von Kriegen. Dieser Sonderstatus besteht kollektiv für alle ukrainischen Staatsangehörigen und für solche Drittstaatler, die nachweisen können, dass sie sich bei Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine aufgehalten haben. Sie alle müssen keinen Asylantrag stellen, können direkt Bürgergeld beantragen und können auch eine Arbeit aufnehmen. Dieser Schutzstatus, der jetzt im zweiten Jahr gilt, kann verlängert, aber auch aufgehoben werden, wenn die Lage in der Ukraine eine sichere Rückkehr erlaubt.

Diese Besserstellung der Menschen aus der Ukraine macht nicht nur deshalb Sinn, weil sie die ohnehin überlaufenen Asylsysteme entlastet. Sie macht auch deshalb Sinn, weil es, wie der Migrationsforscher Daniel Thym es formuliert, „etwas ganz Normales“ sei, dass Menschen eine größere Anteilnahme zeigen für das Leid von Menschen, die aus einem näheren geographischen Raum stammen, mit dem wir auch durch soziale Beziehungen enger verbunden sind. Nach den mir zugänglichen Daten ist die Hilfsbereitschaft der Deutschen gegenüber den Ukraine-Flüchtlingen 2022 ungewöhnlich groß gewesen, deutlich größer als bei dem Flüchtlingszustrom 2015. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Ukraine-Flüchtlinge in den Strudel einer sich von Massenzuwanderung überfordert fühlenden Grundstimmung hineingeraten.

 

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