Klimaschutz: "Von der Vorreiterrolle des Landkreises ist nichts mehr übrig"

16.12.22 –

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, liebe Kolleginnen und Kollegen,

und lieber Herr Groll vorab: Rechnen Sie bitte noch mal nach: Die von den Grünen gemeinsam mit Klimaliste, Linken und Pirat eingereichten Änderungsanträge kosten keine 6,3 Millionen, da können Sie getrost die 6 streichen...
 
Wir müssen uns in dieser Zeit alle privat, aber besonders in unserer kommunalpolitischen Verantwortung außergewöhnlichen Herausforderungen und zehrenden Belastungen stellen. Für die Aufstellung der kommunalen Haushalte gilt dies im Speziellen. Auch von uns vielen Dank an das Finanzteam um Herrn Michel für Ausarbeitung und Erläuterung. Im Januar geht das dritte Pandemie-Jahr zu Ende, im Februar jährt sich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der großes Leid über die Menschen in diesem osteuropäischen Land gebracht hat. Weltweit spüren die Menschen die Folgen des Krieges und der Pandemie, vor allem in ärmeren Ländern. Auch wenn wir es in Deutschland mit einem leistungsfähigen Staat viel leichter haben, Härten abzufedern, so bleiben sie doch für viele empfindlich.

Vor allem nahmen die staatlichen Institutionen, wie auch wir als kommunale, die schmerzliche Aufdeckung von langjährigen Versäumnissen wahr, denen wir uns nun umso energischer stellen müssen: die Abhängigkeit von importierten Energieträgern und von der einseitig nach Fernost verlagerten Produktion, aber nicht zuletzt der Fachkräftemangel, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der erkrankte Kreistagsvorsitzende würde mir sicher meinen Hinweis auf die Flucht bestätigen, die vor 2.000 Jahren stattgefunden hat. Von einem Zimmermann mit seiner Familie, der von Palästina nach Ägypten floh und dort einen neuen Job fand. Heute fehlen Hundertausende in der Pflege und im Handwerk, aber auch Ingenieure, Mediziner und Lehrer. Seit Jahren wissen wir, dass die Wirtschaft bis zu 400.000 Zuwanderer pro Jahr braucht, um Produktion, Wohlstand und unsere Renten zu sichern. Der uns vorgelegte Haushalt versucht sich im Rahmen der begrenzten kommunalen Möglichkeiten diesen außergewöhnlichen, aber leider zum Teil selbstgemachten Herausforderungen zu stellen: gestiegene Energie- und Baukosten, fehlende Baumaterialien und eben auch fehlende Fachleute behindern dringend notwendige Sanierungs- und andere Maßnahmen – nicht nur in unserem Landkreis.

Das Bemühen, mit dem Haushalt gegenzusteuern, ist durchaus anerkennenswert. Sowohl beim Rahmen des Ergebnis- wie des Finanzhaushaltes, als auch bei der mittelfristigen Ergebnis-, Finanz- und Investitionsplanung können wir grundsätzlich mitgehen, Herr Kämmerer und liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU. Aber nur grundsätzlich. Denn selbstverständlich gibt es einige Maßnahmen vor allem im Bereich von Klimaschutz und Klimaanpassung, beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention, bei denen wir mehr Engagement erwarten, vor allem auch, um Beschlüsse des Kreistages wirklich und zeitnah umzusetzen.

Wenn wir uns die Kreistags-Beschlüsse der letzten zwei Jahrzehnte zu Klimaschutz und Ausbau der Erneuerbaren Energien ansehen, den Ausbau der Fahrradwege und die Umsetzung des Sanierungsplans der Schulen, die entscheidend von uns Grünen geprägt sind, dann müssen wir ernüchtert feststellen: Auch bei uns im Kreis gibt es Versäumnisse. Von einer Vorreiterrolle des Landkreises Marburg-Biedenkopf ist nicht mehr viel übrig. Vieles wurde halbherzig angegangen. Wir schieben seit Bestehen der Großen Koalition einen Berg an Investitionen vor uns her, der uns nun teuer zu stehen kommt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die Rücklagen aus Überschüssen im Haushalt betrugen Ende 2021 113 Millionen und werden bis Ende des Jahres voraussichtlich auf 118 Millionen Euro weiter anwachsen. Die Haushaltsausgabenreste beinhalten nicht erfolgte Ausgaben von rund 60 Millionen, u.a. übrigens bei Fahrradstellplätzen. Angesichts dessen erscheinen Fragen nach der Deckung von ein paar Tausend Euro mehr für die Umsetzung – wohlgemerkt vom Kreistag beschlossener Maßnahmen – nahezu albern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Vor allem aber haben wir im Kreis die schon mit dem ersten Kreisenergiekonzept 2007 festgestellte Abhängigkeit von importierten Energieträgern nicht entscheidend reduziert. Hier bedarf es große Anstrengungen gemeinsam mit den Kommunen, um die beschlossenen Ziele auch zu erreichen – und wie wir nun wissen, um sie deutlich früher zu erreichen.

Unsere gemeinsamen, eher exemplarisch für das Gesagte stehenden Änderungsanträge brauchen angesichts dieser gefassten Beschlüsse eigentlich keine weiteren Begründungen. Für die Umsetzung der Istanbul-Konvention sind weitere Mittel eine Notwendigkeit. Dies wird meine Kollegin Theiss ausführen. Die Umsetzung von Klimaschutzbeschlüssen an den Schulliegenschaften muss so angegangen werden, dass überall zeitnah alles umgesetzt wird, was ohne großen Planungsaufwand möglich ist. In den Folgejahren wird noch genug notwendig sein. Daher brauchen wir 200.000 Euro für die Pausenhofgestaltung und sollten diverse Produkte aus dem Teilhaushalt Budget 40 mit heranziehen. Für die PV-Anlagen an Schulstandorten möchten wir eine moderate Erhöhung um 50.000 Euro auf 370.000 Euro. Die Installation von Trinkwasserbrunnen mag aus anderen Budgets mit erfolgen, aber um Fördermittel einwerben zu können, ist eine Position von 50.000 Euro angebracht. Bei den Fahrradabstellanlagen halten wir deutlich mehr Engagement für angesagt, damit die Umsetzung der Beschlüsse nicht Richtung Jahrzehnte geht, also 450.000 Euro statt 25.000 Euro. Und dazu gehören auch Fahrradreparatur- und -wartungsmöglichkeiten, wofür es gute Beispiele an Schulen anderer Landkreise gibt. 25.000 Euro sind ein guter Start, wobei wir für andere schulumlageneutrale Finanzierungslösungen offen sind.

Zur geforderten pauschalen Erhöhung des Budgets für Klimaschutz und Erneuerbare Energien: So gut dies klingt, inhaltlich sehen wir sie nicht begründet. Die Personalausstattung der Steuerungsgruppe ist gut. Als Querschnittsaufgabe finden sich Aufgaben in anderen Budgets, was künftig noch wichtiger werden muss. Viele Fördermittel auf Bundes- und Landesebene werden nicht abgerufen. Geld für die Umsetzung ist da, es hapert an der schnelleren Umsetzung der Maßnahmen.

Selbstverständlich muss die seit 15 Jahren bestehende „Übergangslösung“ in Bürgeln beendet werden. Absehbar wird sich die Platznot verschärfen, so dass es sowohl kurzfristiger wie mittelfristiger Ansätzen bedarf. Das geht nicht aus der Portokasse und ein Signal nach Bürgeln ist überfällig.

Die Erhöhung des Defizits ist hinsichtlich der genannten Haushaltsausgabenreste und Rücklagen moderat. Zu den Erläuterungen der Groko in ihrem Haushaltsantrag für den KA zum Verständnis der Haushalts-Positionen – oder ist gar doch ein anderer Adressat gemeint? Sie sind gut und richtig und wir stimmen ihnen zu. Nur bleibt es dabei, dass die Ansätze nicht ausreichen, die Kreistags-Beschlüsse zeitnah umzusetzen. Wir bitten daher, unseren Haushalts-Anträgen zuzustimmen - ganz im Sinne unserer Kreistagsbeschlüsse.

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

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