Bürgerbeteiligung an Windparks durch EEG massiv gefährdet. Energiewende in Mittelhessen nur mit Windkraft möglich

20.06.16 –

Auf Einladung der grünen Fraktion in der Regionalversammlung stellte die umwelt- und energiepolitische Sprecherin der Grünen im hessischen Landtag Angela Dorn in Marburg den Entwurf der Bundesregierung zum Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) vor. Das neue EEG sehe danach Ausschreibungen für Windanlagen vor, die einschneidende Wirkungen auf den Ausbau der Windkraft in Deutschland haben werden. Zum einen gebe es quantitative Grenzen, die Zweifel daran lassen, ob der Bundesregierung die Energiewende noch wichtig sei, zum anderen werde gerade der Ausbau der Windkraft im Binnenland und auch in Hessen gefährdet. Dorn kritisierte, dass die geforderten Windgeschwindigkeiten und nicht nachvollziehbare Festlegungen von „Netzausbaugebieten“, in denen es nur begrenzten Zuwachs geben dürfe, dazu führten, dass Hessen bei der Umsetzung der Energiewende deutlich ausgebremst wird.

Als besonders einschneidend wertet Angela Dorn, dass das neue EEG kleineren Betreibern und insbesondere von Kommunen oder Bürgerinnen und Bürgern organisierte Windkraftanlagen kaum noch eine Chance gebe. Dies bestätige auch Uwe Volz, Umweltbeauftragter der Stadt Stadtallendorf, der die Planungen der Stadt gemeinsam mit der Energiegenossenschaft Marburg-Biedenkopf vorstellte. Wenn die Regelungen so blieben, fiele auch das hiesige Bürgerbeteiligungsmodell nicht unter die Begünstigungsreglung und müsse sich ganz regulär an den Ausschreibungen beteiligen. Volz machte deutlich, dass dies für die überwiegende Mehrheit der in Hessen bestehenden Formen der Bürgerbeteiligung gelte. Somit könne die von der Bundesregierung vorgegebene Begünstigung von Bürgerenergiegesellschaften mit dem vorliegenden Entwurf der EEG-Novelle nicht erreicht werden. Die Ausnahmen für kleine Windparks müssten daher deutlich ausgeweitet werden. Welche Kommune oder welche Bürgergenossenschaft könne es sich schon leisten, erhebliche Planungskosten auf sich zu nehmen, um dann im Wettbewerb mit den Großkonzernen auf diesen Kosten sitzen zu bleiben.

Für den Fraktionsvorsitzenden der Grünen in der Regionalversammlung Mittelhessen, Dr. Karsten McGovern, sind die Rahmenbedingungen des EEG ganz entscheidend dafür, ob das ehrgeizige Ziel der Energiewende geschafft wird. Dies gelte auch für Mittelhessen für das der Teilregionalplan Energie schon bis zum Jahr 2020 vorsieht, dass 33% des Endenergieverbrauches von voraussichtlich 18,42 TWh durch erneuerbare Energien gedeckt werden sollen. Der jetzt nach der zweiten Offenlage zu beschließende Teilregionalplan könne allerdings im Prinzip nur durch den Ausweis von sog. Windvorrangflächen dazu beitragen, da die anderen Formen erneuerbaren Energien nicht durch die Regionalplanung steuerbar sind. Diese besäßen auch nicht das Potential die notwendigen 6,09 TWh (33% von 18,42 TWh) zu erbringen. Einzig die Windkraft könne die fehlende Lücke von mehr als 1,8 TWh (siehe Hintergrund) decken. „Ohne Windkraft ist das Ziel von 33% erneuerbare Energien in Mittelhessen derzeit nicht erreichbar“, so fasst McGovern die vorliegenden Erkenntnisse, die auch Grundlage des Teilregionalplans Energie sind, zusammen. Im Übrigen gelte dies auch für einzelne Kommunen, wie z.B. die Stadt Marburg (siehe Hinweis für die Stadt Marburg).

Die Planungen zum Teilregionalplan müssten jetzt abgeschlossen werden, um Planungssicherheit für Standorte zu erreichen. Problematisch und zu bedenken sei allerdings auch, wie sich in der Diskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der öffentlichen Fraktionssitzung herausstellte, die laufenden Planungen von Windkraftanlagen nicht zu gefährden.

Wichtig war den Teilnehmenden neben den Abstandsregelungen zu Siedlungen auch der Artenschutz. Gefährdungen von gefährdeten Vogel- und Feldermausarten müssten vermieden werden, was insbesondere im Genehmigungsverfahren sorgsam zu prüfen sei. Beim Artenschutz dürfe allerdings nicht isoliert auf die Windkraft geschaut werden, die im Vergleich z.B. zur überwiegenden Form der Landwirtschaft oder dem Straßenverkehr ein wesentlich geringeres Risiko für gefährdete Arten sei.

 

Hintergrund zum Endenergieverbrauch und dem Potential erneuerbarer Energien

Der mittelhessische Endenergieverbrauch beträgt für Strom und Wärme (der Teilregionalplan klammert den Verkehrsbereich noch vollständig aus) im Jahr 2020 voraussichtlich 18,42 TWh pro Jahr 33 % davon sind 6,09 TWh pro Jahr. Im Wärmesektor werden derzeit bei optimistischer Schätzung ca. 1,5 TWh erneuerbar erzeugt. Bis 2020 müssten es laut Planung 2,6 TWh sein. Abgesehen davon, dass dies sehr ehrgeizig ist, verbleiben 3,5 TWh pro Jahr, die im Stromsektor erbracht werden müssen. 2013 wurden 1,4 TWh durch Photovoltaik, Biomasse und Windkraft erbracht. Die Wasserkraft spielt in Mittelhessen eine marginale Rolle. Von den 1,4 TWh hat die Windkraft schon damals mit 0,6 TWh den größten Anteil erbracht. Der Ausbau der Photovoltaik ist stark zurückgegangen und wie auch bei der Biomasse faktisch begrenzt. Eine Steigerung um 100% in den nächsten Jahren höchst unrealistisch. Aber selbst wenn, könnten aus PV (2013: 0,328 TWh) und Biomasse (2013: 0,2 TWh) höchstens 1,1 TWh kommen. Die Windkraft müsste somit von 0,6 TWh im Jahr 2013 auf 2,4 TWh im Jahr 2020 ausgebaut werden.

Rein rechnerisch bieten die derzeit im Teilregionalplan vorgesehenen Windkraftvorrangflächen die Möglichkeit, rund 4,9 TWh pro Jahr Strom aus Windkraft zu erzeugen. Ob die 2,4 TWh bis 2020 erreichbar sind, muss allerdings angesichts alleine wegen der vier bis fünfjährigen Planungszeiten bezweifelt werden.

Eine Terrawattstunden (TWh) entspricht 1000 Gigawattstunden, 1 GWh entspricht 1000 Megawattstunden, 1 MWh entspricht 1000 Kilowattstunden (KWh).

 

Hinweis für die Stadt Marburg

Am Beispiel der Stadt Marburg zeigte Dr. McGovern eine Berechnung, die mit dem mittelhessischen Energierechner (http://www.energieportal-mittelhessen.de/energierechner-fuer-gemeinden/energierechner.html) von allen nachvollzogen werden kann. Stellt man dort bei der Photovoltaik, Biomasse und Wasserkraft ein, dass jede theoretisch verfügbare Kapazität genutzt werden soll (also z.B. alle Dachflächen und auch alle denkbaren Freiflächen bei der PV) dann kommt man alleine beim Strom nur auf einen Deckungsgrad von 65,54% (inklusive der 3 bestehenden Windkraftanlagen, deren Energieerzeugungswert im Energierechner allerdings nur auf der Grundlage verallgemeinerte Werte berechnet ist). Damit wird sehr deutlich, dass das 100 % Ziel schon beim Strom ohne Windkraft in Marburg nicht erreichbar ist. Bedenkt man noch, dass die Wärme ungefähr 2/3 des Endenergieverbrauchs ausmacht und der Ausbau der erneuerbaren Energien dort gerade in Marburg sehr begrenzt ist, wird die Problematik noch deutlicher.

 

Hinweis zur Berichterstattung in der Oberhessischen Presse

Auf die Frage einer Reporterin der Oberhessischen Presse erläuterte der Fraktionsvorsitzende der Grünen in der RV Mittelhessen, Dr. Karsten McGovern, dass die Windkraftvorrangfläche am „Lichter Küppel“ in Marburg sehr wahrscheinlich weiterhin im Regionalplan vorzufinden sein wird. Da der Regionalplan von Schwerpunktgebieten für den Schutz z.B. des Rotmilans ausgeht und diese nicht im Bereich des „Lichter Küppel“ liegen, sei der Nachweis eines Brutvorkommens noch kein Grund, auf der Ebene der Regionalplanung die Fläche als nicht geeignet anzusehen. Das müsse sich dann auf der Genehmigungsebene herausstellen, wenn ein Antrag gestellt wird.

 

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